Der nachfolgende Beitrag ist von einem Nichtjuristen verfasst. Die Inhalte hat der Autor zuvor intensiv recherchiert und durch einen Fachanwalt für Medizin- und Arzthaftungsrecht prüfen lassen. Der Beitrag darf dennoch nicht als verbindliche Quelle herangezogen werden. Für die Richtigkeit des Inhaltes wird ausdrücklich keine Haftung übernommen. 

 

Dürfen Zahnmedizinische Fachangestellte Blut abnehmen?

Zugegeben, diese Frage kann nicht so einfach beantwortet werden. Wer in Deutschland primär Blut entnehmen oder die Blutabnahme beim Patienten anordnen darf, ist rechtlich klar geregelt. Die Blutabnahme ist Teil einer medizinischen Behandlung und somit Gegenstand eines (meist mündlich geschlossenen) Behandlungsvertrages. Ein solcher Vertrag kann zwischen dem Arzt (auch Zahnarzt) und Patient oder zwischen einem Krankenhaus (genauer: dessen rechtlichen Träger, z.B. eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung - GmbH) und dem Patienten zustandekommen.

Das Bürgerliche Gesetzbuch sieht für Behandlungsverträge grundsätzlich eine persönliche Leistungserbringung des Behandlers vor (§ 630a in Verbindung mit § 613 Satz 1 BGB). Danach muss also der Arzt sämtliche Behandlungsleistungen (im Übrigen auch die Blutentnahme) im Zweifel persönlich erbringen. Von dem Grundsatz der persönlichen Leistungserbringung können (Zahn)Arzt und Patient Ausnahmen vereinbaren. Darüber wird meist nicht ausdrücklich gesprochen, weshalb die Ausnahmevereinbarungen auch konkludent – d. h. durch schlüssiges Handeln - vereinbart werden. Im Umfang derart zustande gekommener Ausnahmevereinbarungen dürfen Ärzte Behandlungsleistungen an nichtärztliches Personal delegieren.

Möglichkeiten und Grenzen der Delegation an nichtzahnärztliches Personal

In einem ersten Schritt ist zu entscheiden, ob die (zahnärztliche) Leistung überhaupt delegationsfähig ist. Nicht delegierbar sind Leistungen, die stets nur vom (Zahn)Arzt höchstpersönlich erbracht werden dürfen. Hierunter fällt die Anamneseerhebung, die Aufklärung des Patienten über Therapie und Diagnose, das Stellen der Diagnose oder die Durchführung invasiver / operativer zahnmedizinischer Therapien. §1 Abs. 5 des Zahnheilkundegesetzes regelt zudem, dass approbierte Zahnärzte bestimmte ärztliche Leistungen an dafür qualifiziertes Prophylaxe-Personal mit abgeschlossener Ausbildung, wie Zahnmedizinische Flaschengestelle, weitergebildete Zahnarzthelferin, Prophylaxehelferin oder Dental-Hygienikerin delegieren können.

In einem zweiten Schritt ist zu klären, ob das Prophylaxe-Personal aufgrund der beruflichen Qualifikation für die Aufgabe geeignet ist (Auswahlpflicht). Gehörten einige Tätigkeiten nicht zum Ausbildungsgegenstand des erlernten Berufs, führt dies nicht formal zur Delegationsunfähigkeit, sondern erhöht die Anforderungen an die persönliche Anleitung und Überwachung. Weiter ist zu prüfen, ob das Prophylaxe-Personal für die Erbringung der Leistung ausreichend qualifiziert ist – also die dementsprechenden Kenntnisse und Fähigkeiten besitzt. Ist dies erfolgt, kann auch eine zahnärztliche Leistung an dafür qualifiziertes nichtzahnärztliches Personal delegiert werden.

Blutabnahmen in der Zahnmedizin

Die Blutabnahme ist mittlerweile in vielen Zahnarztpraxen ein wichtiger Teil des Behandlungsspektrums und ein individuelles Angebot an die Patienten. Sie wird daher immer öfters von approbierten Zahnärztinnen und Zahnärzten in den Praxen angeboten und durchgeführt. Das Tätigkeitsfeld des Zahnarztes ist in § 1 Abs. 3 ZHG beschrieben. Danach ist Ausübung der Zahnheilkunde die berufsmäßige, auf zahnärztlich-wissenschaftliche Erkenntnisse gegründete Feststellung und Behandlung von Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten. Der Eingriffs- und Behandlungsbereich des Zahnarztes wird damit primär auf die Zähne, den Mund und den Kiefer beschränkt. Unter Einbeziehung der Regelungen in Art. 5 Abs. 1 der EG-Richtlinie 78/687 EWG und der Entscheidung des OLG Zweibrücken (Az. 2 U 29/97 vom 21. August 1998) kann jedoch folgende Definition erhoben werden:

„Zur Ausübung der Zahnheilkunde gehören alle unmittelbaren und mittelbaren Maßnahmen zur Verhütung, Feststellung und Behandlung von Krankheiten der Zähne, des Mundes, der Kiefer und der dazugehörigen Gewebe.“

Blutabnahmen in der ZahnmedizinBlutabnahmen sind auch in der Zahnmedizin möglich,  wenn diese im unmittelbaren Zusammenhang mit der Behandlung von Zahn-, Mund und Kieferkrankheiten erfolgt. Bild: freepik.com


Aufgrund dieser Definition ist die zahnärztliche Behandlungsleistung erweiterbar. Damit kann auch eine Blutabnahme durch dementsprechend qualifizierte und approbierte Zahnärzte erfolgen, wenn diese im unmittelbaren Zusammenhang mit der Behandlung von Zahn-, Mund und Kieferkrankheiten erfolgt oder der Behandlungserfolg hierdurch zielgerichtet unterstützt wird. In der Zahnmedizin werden Blutabnahmen heutzutage bei präoperativen Risikotests (Parodontitis-Risikotest), der labortechnischen Analyse von Unverträglichkeiten der eingesetzten zahnmedizinischen Materialien oder bei der Herstellung von fibrinhaltigem Plasma im Rahmen der L-PRF-Verfahren benötigt.  Aus diesem Grund sind auch Blutabnahmen in einer Zahnarztpraxis rechtlich möglich.

L-PRF Verfahren in der ZahnmedizinBeim L-PRF Verfahren wird das Blut zeitnah benötigt. Foto: D.Freitag

Darf die Blutabnahme auch an ZFAs oder Prophylaxe-Personal delegiert werden?

Betrachtet man die rechtliche Ist-Situation, wie sie oben zuvor beschrieben wurde, dann kann die Blutabnahme theoretisch auch an qualifiziertes Prophylaxe-Personal delegiert werden. Voraussetzung ist, dass die Person über ausreichende Kenntnisse und Fähigkeiten in diesem Tätigkeitsfeld verfügt. Praktisch ist die haftungsrechtliche Situation hier sehr komplex. Zwar haftet auch der Zahnarzt oder die Zahnärztin vollumfänglich bei einem entstandenen Schaden am Patienten mit (Gesamtverantwortung), dennoch muss er oder sie sich darüber im Klaren sein, dass die Delegation an nichtzahnärztliche Mitarbeitende aktuell noch nicht mit dem §1 Abs. 5 des ZHG konform ist. Auch wenn die dortige Aufzählung nicht abschließend ist, sind Blutabnahmen offiziell noch keine delegierfähigen Tätigkeiten an eine Prophylaxe-Assistenz. Sollte sich ein Zahnarzt oder eine Zahnärztin dennoch für eine Delegation entscheiden, könnte sich hieraus eine komplexere Haftbarkeit und der Vorwurf einer rechtswidrigen Delegation ergeben. Die Gerichte würden hier sehr wahrscheinlich Einzelfallentscheidungen treffen müssen, denn noch gibt es keine beispielhaften Gerichtsverfahren, bei denen ein Patient einen Zahnarzt oder dessen Helferin aufgrund eines Behandlungsfehlers bei der Durchführung einer Blutabnahme verklagt hat.

Was meint die Bundeszahnärztekammer?

Die Bundeszahnärztekammer vertritt u.a. die oben geschilderte Auffassung. Eine verbindliche Aussage kann aber auch seitens der BZÄK nicht getroffen werden. Zwar sei, laut Auffassung der Bundeszahnärztekammer, die Blutabnahme eine weitestgehend risikoarme Maßnahme und durchaus mit dem Gefahrenpotential einiger im ZHG aufgeführten delegierfähigen Tätigkeiten gemäß §1 Abs. 5 vergleichbar (z.B. die Entfernung von weichen und harten sowie klinisch erreichbaren, subgingivalen Belägen), dennoch ist die momentane Aufzählung der delegierbaren Tätigkeiten im ZHG das entscheidende (Ausschluss-)Kriterium für eine Delegation an Prophylaxe-Personal. Aus haftungsrechtlicher Sicht rät die BZÄK daher von einer Delegation an (auch geeignetes) Prophylaxe-Personal ab.  

Wie können Blutabnahmen beim Zahnarzt rechtlich sicher erfolgen?

Die Delegation an entsprechend qualifizierte Mitarbeitende bleibt auch weiterhin die alleinige Entscheidung der Zahnärztinnen und Zahnärzte. Sie entscheiden, ob und an wen sie eine Blutabnahme delegieren wollen – oder können. Es bleibt auch weiterhin eine Einzelfallentscheidung, die letztendlich vom „Können“ der durchführenden Person abhängt. Das „Dürfen“ ist hierbei rechtlich nicht eindeutig geregelt. Zwar rät die BZÄK von einer Delegation ab, doch noch ist im Wirrwarr der juristischen Gegebenheiten nicht geklärt, was bei einem möglichen Gerichtsprozess tatsächlich passieren würde. Kann ein Nachweis erbracht werden (durch bescheinigte Schulungen, Berufsabschlüsse etc.), dass die ausgewählte Person zur Durchführung der Blutabnahme befähigt war und diese vollumfänglich beherrscht hat, werden die Gerichte sehr wahrscheinlich die allgemeine Rechtslage zur Delegation von Blutabnahmen an nichtärztliches Personal heranziehen. Allen Zahnärztinnen und Zahnärzten muss jedoch bewusst sein, dass das Gericht auch eine rechtswidrige Delegation unterstellen könnte, da die Maßnahme nicht mit der Aufzählung der delegierfähigen Tätigkeiten des ZHG konform ist. Was aber im Rechtsstreit tatsächlich passiert, ist aktuell noch ein verschwommener Blick in die Glaskugel.

Rechtlich kann die Blutabnahme also auch durch ZFAs erfolgen. Möchte man das haftungsrechtliche Risiko jedoch so gering wie möglich halten, sollte die eigentliche Leistung durch die Zahnärztin oder den Zahnarzt erbracht werden. Das Assistenzpersonal kann in diesem Fall der Blutabnahme qualifiziert unterstützen und assistieren. Hierzu sind aber ebenfalls umfangreiche Kenntnisse einer Blutabnahme notwendig – also auch das Fachwissen zu Komplikationen, der Anatomie, den Ausschlusskriterien und der eigentlichen Punktionstechnik. Damit dieses Wissen umfangreich erworben wird, ist auch zukünftig der Besuch von Seminaren zum Erlernen der Blutabnahme-Grundlagen notwendig.   

Fazit zu Blutabnahmen in der Zahnmedizin

Blutabnahmen in der Zahnmedizin werden auch weiterhin ein wichtiger Baustein der zahnmedizinischen Behandlung sein und bleiben. Die Delegation der Blutabnahme an das nichtzahnärztliche Assistenzpersonal bleibt jedoch auch weiterhin ein umstrittenes Thema. Eine fehlende Fortführung der delegierfähigen Tätigkeiten im ZHG, eine verhaltene Meinung der Zahnärztekammern und nicht zuletzt die fehlenden Mustergerichtsfälle machen eine Delegation an qualifiziertes Prophylaxe-Personal weiterhin schwierig. Dennoch ist die Delegation unter Einhaltung der oben genannten Kriterien rechtlich möglich. Will man rechtlich keine Risiken eingehen, sollten sich die Maßnahmen des Prophylaxe-Personals auf die assistierenden Tätigkeiten vor, während und nach der Blutabnahme beschränken. Um hierbei dennoch adäquat zu unterstützen, ist eine umfangreiche Schulung unabdingbar und immer ratsam, denn auch das Assistenzpersonal sollte sich mit der eigentlichen Technik und den notwendigen Grundlagen der Blutabnahme auskennen.