Ein Venenstauband wird während der Blutentnahme verwendet, um die Darstellung der Vene zu erleichtern, eine erfolgreiche Venenpunktion durchzuführen und den Blutfluss in die Probenröhrchen zu gewährleisten. Die meisten Studien in diesem Bereich haben jedoch gezeigt, dass zu feste und zu lange Stauungen einen signifikanten Einfluss auf die spätere Analytik nehmen. Schon bei Stauzeiten von über 60 Sekunden kann ein Anstieg bestimmter Enzyme, wie die Alanin-Aminotransferase (ALT), oder einiger Elektrolyte (wie Kalium und Kalzium) beobachtet werden [1]. Doch nicht nur die Stauzeit ist ein entscheidender Faktor, auch die Technik der Blutabnahme wirkt sich mitunter negativ auf bestimmte Parameter und Konzentrationen im Blutplasma aus. So führt das zu feste Anstauen der Venen mittels des Venenstaubandes zu einer Verformung und späteren Zerstörung der Erythrozyten (roten Blutkörperchen) [2], was wiederum eine Hämolyse begünstigt [3]. Hierdurch wird vermehrt Kalium aus den Erythrozyten ausgeschwemmt und ins Plasma abgegeben. Die Folge: In der späteren Analytik können erhöhte, nicht pathogene Kaliumkonzentrationen gemessen werden (Pseudohyperkaliämie). Die Hämolyse wirkt sich aber auch auf autologes Blut aus, welches beispielsweise im Prozess des A-PRP-Verfahrens (Autologes-plättchenreiches Plasma) oder des PRF-Verfahrens (platelet rich fibrine) genutzt wird. Eine Hämolyse verunreinigt das Plasma und kann es in diesem Fall sogar unbrauchbar machen.

Stauzeiten über 60 Sekunden vermeiden

Führende Verbände, wie der Europäische Verband für klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin (EFLM), empfehlen Stauzeiten von über 60 Sekunden zu vermeiden [4]. In der Routinepraxis werden Blutproben in der Regel jedoch ohne das Lösen des Venenstauers entnommen. Dies führt mitunter zu Stauzeiten von bis zu 2 Minuten und mehr. Hier zeigt sich, dass eine Deformierung und Zellwandzerstörung der roten Blutkörperchen sehr wahrscheinlich ist [2]. Damit sich keine Negativauswirkungen auf die spätere Analyse oder das Plasma einstellen, sollte der Druck in den gestauten Venen also nicht zu lange aufrechterhalten werden. Es empfiehlt sich das Lösen des Staubandes, sobald Blut in die Probengefäße fließt. Sollte der Blutfluss unter dieser Maßnahme sistieren - also die Füllgeschwindigkeit der Probengefäße so stark absinken, dass kaum noch Blut einfließt - kann das Venenstauband wieder leicht angezogen werden. Aber auch hier ist erneut darauf zu achten, dass die neue Stauzeit unterhalb von 60 Sekunden gehalten wird.

Zu festes Anstauen führt zur Hämolyse

Studien zeigen, dass nicht nur die Stauzeit einen maßgeblichen Einfluss auf die Laborparameter hat. Auch das zu feste Anstauen mit dem Venenstauband kann bestimmte Elektrolyte und Enzyme in dem gestauten Venenareal negativ beeinflussen. So wird eine Pseudohyperkaliämie begünstigt, wenn es durch einen zu hohen Veneninnendruck zur Zerstörung von roten Blutkörperchen kommt. Bei diesem Prozess tritt roter Blutfarbstoff (Hämoglobin) aus den Erythrozyten aus (Hämolyse), wodurch übermäßig intrazelluläres Kalium ins umliegende Plasma ausgeschwemmt wird. Die daraus resultierende, messbare Hyperkaliämie ist meist nicht krankhaft, sondern kann auf eine falsche Entnahmetechnik schließen lassen. Es gilt daher der Leitsatz: „So fest wie nötig und so kurz wie möglich die Venen anstauen“. Grundsätzlich wird der Einsatz eines Venenstaubandes seit Jahren kontrovers diskutiert. Auch die EFLM empfiehlt in ihren aktuellen „Recommendations for venous blood sampling“ auf den Einsatz eines Staubands bei prominenten Venen zu verzichten.

Wann ein Venenstauband anlegen? 

Die Fragestellung kann nicht ganz einfach beantwortet werden. Jüngst zeigt eine Studie, die 2021 im Journal of Laboratory Physicians veröffentlicht wurde, dass der Einsatz eines Venenstaubandes bei prominenten Venen nicht immer notwendig ist [6]. Das portugiesische Forscherteam ging der Fragestellung nach, ob bestimmte Venen in der Ellenbeuge auch ohne die Anlage eines Venenstaubands punktiert werden können. Weiter galt es herauszufinden, ob die Blutabnahme ohne Venenstauband reibungslos abläuft. Das Resultat der Studie zeigt, dass die Punktionskräfte auch ohne den Einsatz eines Staubandes eine Vene sicher punktieren konnten. In 78% der Punktionen war die Vena mediana cubiti dabei die prominenteste und am häufigsten punktierte Vene der Probanden. Mit dieser Studie sind jedoch noch längst nicht alle weiterführenden Fragen geklärt. So wurden lediglich die Punktionserfolge ohne Stauband dokumentiert, nicht jedoch die Auswirkungen auf die Laborparameter oder etwaiger Hämolysen. Was die Studie ebenfalls nicht dokumentiert, ist die Tatsache, dass der Blutrückfluss in die Probenröhrchen durch die fehlende Stauung erheblich verlängert wird. Besonders in den Fällen, in denen gleich mehrere Probengefäße abgenommen werden müssen, kann dies die Blutabnahme künstlich verlängern. Die Durchführenden müssen sich dieser Tatsache also zuvor bewusst sein. Will man hingegen die Vena basilica oder die Vena cephalica für die Blutabnahme punktieren, kann auf den Einsatz eines Venenstaubandes meist nicht verzichtet werden. Die Anlage eines Venenstaubandes bleibt daher immer eine Individualentscheidung des Punktierenden. Wird es genutzt, müssen Stauzeit und Staudruck jedoch zwingend beachtet werden.

Fazit

Bislang wird das Venenstauband in der medizinischen Praxis standardmäßig bei allen Blutabnahmen eingesetzt. Dabei wird nur selten auf die Stauzeiten und den Staudruck geachtet. Studien zeigen jedoch, dass sich Stauzeiten über 60 Sekunden negativ auf die Blutzusammensetzung und die späteren analytischen Laborwerte auswirken. Bei autologem Blut besteht zudem immer die Gefahr, dass eine Hämolyse das benötigte Blutplasma verunreinigt und damit sogar unbrauchbar macht. Führende Verbände empfehlen den Einsatz eines Venenstaubandes daher nur noch bei schwierigen Venenverhältnissen. Prominente Venen können hingegen ohne das vorherige Anstauen punktiert werden. Eine im Jahr 2021 veröffentlichte Studie eines portugiesischen Forscherteams bestätigt diese Annahme. Besonders die Vena mediana cubiti kann oftmals ohne das vorherige Anstauen ertastet und sicher punktiert werden. Doch nicht immer kann ohne das Hilfsmittel „Venenstauband“ sicher und qualifiziert punktiert werden. Der Einsatz bleibt eine Individualentscheidung des Punktierenden.

Text und Fotos: Daniel Freitag


[1] Lippi G, Salvagno GL, Montagnana M, Brocco G, Guidi GC. Influence of short-term venous stasis on clinical chemistry testing. Clin Chem Lab Med. 2005;43(8):869-75

[2] Cengiz, Melike, Ulker, Pinar, Meiselman, Herbert J. and Baskurt, Oguz K.. "Influence of tourniquet application on venous blood sampling for serum chemistry, hematological parameters, leukocyte activation and erythrocyte mechanical properties" Clinical Chemistry and Laboratory Medicine, vol. 47, no. 6, 2009, pp. 769-776.

[3] Berg JE, Ahee P, Berg JD. Variation in phlebotomy techniques in emergency medicine and the incidence of haemolysed samples. Ann Clin Biochem. 2011 Nov;48(Pt 6):562-5

[4] Peter A. Everts, Gerard A. Malanga, Rowan V. Paul, Joshua B. Rothenberg, Natalie Stephens, Kenneth R. Mautner, Assessing clinical implications and perspectives of the pathophysiological effects of erythrocytes and plasma free hemoglobin in autologous biologics for use in musculoskeletal regenerative medicine therapies. A review, Regenerative Therapy, Volume 11, 2019, Pages 56-64

[5] Simundic AM, Bölenius K, Cadamuro J, Church S, Cornes MP, van Dongen-Lases EC, Eker P, Erdeljanovic T, Grankvist K, Guimaraes JT, Hoke R, Ibarz M, Ivanov H, Kovalevskaya S, Kristensen GBB, Lima-Oliveira G, Lippi G, von Meyer A, Nybo M, De la Salle B, Seipelt C, Sumarac Z, Vermeersch P; Working Group for Preanalytical Phase (WG-PRE), of the European Federation of Clinical Chemistry and Laboratory Medicine (EFLM) and Latin American Working Group for Preanalytical Phase (WG-PRE-LATAM) of the Latin America Confederation of Clinical Biochemistry (COLABIOCLI). Joint EFLM-COLABIOCLI Recommendation for venous blood sampling. Clin Chem Lab Med. 2018 Nov 27;56(12):2015-2038

[6] Freitas, Francisco & Alves, Mónica. (2020). Improving the quality of venous blood sampling procedure: avoiding tourniquet use. medRxiv 2020.04.05.20039560